Obamas Iran-Politik - Dr. Ali Fathollah-Nejad • Official Website
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Iran, die Bürgerrechtsbewegung und der Westen: Zehn Thesen

Dies ist der leicht aktualisierte Vortragstext für die Veranstaltung „What Lies Ahead? The Movement, Sanctions and the West“ der britischen Friedensbewegung in London am 3. Februar 2010. Die darin präsentierten Thesen versuchen die Aussichten auf Demokratie in Iran in einem analytisch größeren Rahmen zu fassen.

Der Text erschien zuerst in: FriedensForum: Zeitschrift der Friedensbewegung, Nr. 2/2013 (März 2013), S. 31–33.


Vorbemerkung

Die folgenden Thesen entstanden Anfang 2010 unter dem Eindruck der Mobilisierungen der Grünen Bewegung. Seitdem ist die Schwächung eben jener zu konstatieren, die zum einen der staatlichen Repression und zum anderen ihrem programmatischen Defizit, die Frage der sozialen Gerechtigkeit ausgeblendet zu haben, geschuldet ist. Mit anderen Worten hat es die Grüne Bewegung versäumt, die Arbeiterschicht und ihre Belange personell und programmatisch einzubinden, was ein wichtiger Grund für das Ausbleiben ihres Erfolges hinsichtlich einer Transformation gesellschaftlicher Verhältnisse darstellt. Zu den wichtigsten Entwicklungen der letzten drei Jahre gehört neben den „Arabischen Revolten“ die beispiellose Verschärfung des vom Westen initiierten Iran-Sanktionsregimes. Wie ich zu Jahresanfang in der FAZ schrieb, sind die Sanktionen „ein brutaler Angriff auf ein ganzes Land. Sie schwächen den hundertjährigen Kampf der Iraner um Demokratie, weil sie jene, die ihn zu führen haben, im Alltag plagen, während die Unterdrücker sich ungehindert bedienen und ausstatten können. […] Nun sind derzeit zwei Entwicklungen zu befürchten: Entweder muss eine notleidende Bevölkerung sich auf Jahre hinaus in einem durch die äußere Drohkulisse und Sanktionen gefestigten, sich in Richtung einer Militärdiktatur entwickelnden Regime um das schiere Überleben kämpfen. Oder ein Krieg wird jegliche Perspektive auf Demokratie und menschenwürdiges Leben begraben.“ Folgerichtig müsste heute die dringendste Forderung, ohne die weder die Aussicht auf Demokratie noch Frieden besteht, heißen: Schluss mit den Sanktionen!

Zehn Thesen

1.

Die sogenannte Grüne Bewegung innerhalb Irans – deren Wellen die politische Landschaft bereits im Vorlauf zu den Präsidentschaftswahlen vom Juni 2009 erschütterten und die im Anschluss an die offiziöse Bestätigung der sehr umstrittenen Wahlergebnisse Aufwind bekam – ist von einer äußerst diversen Natur. Auf der einen Seite umfasst sie einige der Gründerväter der Islamischen Republik, auf der anderen Seite ist sie eine auf einer breiten Basis beruhende und friedliche Masse, die aus drei sozialen Bewegungen entsprungen ist: der Studierenden, der Frauen und der Arbeiterschaft, die für die Erfüllung der Versprechen der Revolution von 1979 kämpfen.

Außerhalb Irans sammelte sich eine Zahl politischer Gruppen unter der Flagge der Grünen Bewegung. Einige drückten ihre ernstzunehmende Solidarität aus, während sie sich ihrer besonderen politischen Verantwortung im Exil bewusst waren. Andere gruben in opportunistischer Manier ihre bankrotten Slogans aus, die sich auf die Rezepte eines „Regimewechsels“ im Sinne des „New American Century“ reimen.

2.

Ihre Ziele können zusammengefasst werden als die Wiederherstellung der Bürgerrechte eines breiten Spektrums sozialer Schichten im politischen, sozio-ökonomischen und kulturellen Bereich. Deshalb scheint es angebracht, sie als „Bürgerrechtsbewegung“ zu bezeichnen. (Beim Kampf für sozio-ökonomische Rechte gilt hier die o.g. Einschränkung hinsichtlich des Defizits der Grünen Bewegung bei der Integration der v.a. wirtschaftlichen Belange ärmerer Schichten.)

3.

Drei ideologische Stränge zeichnen die moderne, anti-koloniale politische Kultur Irans seit Anfang des 20. Jahrhunderts aus: Nationalismus, Sozialismus und politischer Islam. Jeder von ihnen sollte die Gelegenheit bekommen, auf der Basis demokratischen Wettbewerbs seinen rechtmäßigen Platz in der politischen Landschaft Irans einzunehmen.

4.

Diese Bürgerrechtsbewegung ist die Fortsetzung des Kampfes für Freiheit, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit des iranischen Volkes in den letzten 100 Jahren. Es gab drei historische Momente für diese demokratischen Bestrebungen: 1.) Inmitten des kolonialen Druckes seitens Großbritanniens und Russlands wurde die Saat während der „konstitutionellen Revolution“ des frühen 20. Jahrhunderts (1906–11) gesät – in einem Volksaufstand gegen einheimischen Despotismus und seine kolonialen Hintermänner. 2.) Ein halbes Jahrhundert später (1951–53) trieb er Knospen, als das Projekt der Verstaatlichung der Ölindustrie durch den ersten demokratisch gewählten Premierminister der gesamten Region, Mohammad Mossadegh, sich gegen die Ausbeutung durch das Ausland wandte. 3.) Er blühte auf in der iranischen Revolution (1977–79), die viele Jahrhunderte monarchischer und imperialer Herrschaft über Iran hinwegschwemmte. Und 4.) sehnt sich heute das iranische Volk danach, dass die Prinzipien von Freiheit und Republikanismus verwirklicht werden.

5.

Man sollte die Geschichte imperialer Verrate an den historischen Bestrebungen der IranerInnen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, im Kopf behalten. Zumal der Erfolg jener demokratischen Momente durch koloniale und imperialistische Intervention schwer sabotiert wurde, begrüßt von den einheimischen Tyrannen: 1.) 1908 bombardierte die private, von Russen (Kossaken) geführte Armee des Schahs das neu entstandene iranische Parlament – eben jenem Ort, wo die Forderungen des Volkes nach der Machtbegrenzung des Monarchen zum Ausdruck gebracht werden sollten. Kurz danach teilte Russland gemeinsam mit Großbritannien Persien in „Einflusszonen“ auf. 2.) 1953 wurde die demokratische Regierung von Mossadegh reuelos von einem durch die USA und Großbritannien initiierten Militärputsch gestürzt und der monarchische Diktator bestieg den Pfauenthron dank der Gnaden des im Entstehen begriffenen American Empire. 3.) 1980 brach der von Washington und seine westlichen Alliierten unterstützte irakische Diktator Saddam Hussein einen kriminellen und katastrophalen Krieg gegen den fragilen nach-revolutionären Iran vom Zaun, was letztlich die Position der Hardliner in Iran stärkte und ihnen ermöglichte, die Macht zu monopolisieren, indem sie der Theokratie einen dominanten Platz in der neu entstandenen Republik sicherten. 4.) Der jüngste Fall solch imperialer Intervention ist die böswillige Verwendung der sog. “Achse des Bösen“ (mit Iran in ihrem Zentrum), die kriminellen Unternehmungen einer neokonservativen Clique in ihrem „Krieg des Terrors“, die de-facto militärische Einkreisung infolge der bewusst hergestellten „Atom-Krise“ und die nicht nachlassenden Drohungen eines Krieges gegen Iran. Dieser Belagerungszustand, in der sich Iran nach den schrecklichen Angriffen des 11. September 2001 wiederfindet, zeigte sich als das beste Rezept, das reformistische Lager Irans und ihre sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bestrebungen zu unterminieren. Bedauerlicherweise hat der sog. Westen faktisch kaum eine Gelegenheit ausgelassen, jeder sich entwickelnden Aussicht auf demokratische Souveränität nicht nur in Iran, sondern in der gesamten Region den Todeskuss zu geben.

6.

Aufgrund seiner Energievorräte und strategischen Bedeutung ist Iran über die letzten hundert Jahre im Fokus imperialer Politik gewesen: von der Gründung der Anglo-Persischen Ölgesellschaft 1909 bis hin zum „Greater Middle East“-Projekt des American Empire im 21. Jahrhundert. Ein Ende solch gefährlicher Verwicklungen ist für das iranische Volk kaum in Sicht – die Situation muss weiterhin aufmerksam beobachtet werden.

Der „Renten“-Charakter des vor- und nachrevolutionären iranischen Staates begünstigt ein monopolistisches und klientelistisches Herrschaftssystem und behindert Demokratisierungsprozesse. Obwohl solch eine polit-ökonomische Machtstruktur über erhebliche Mittel verfügt, demokratischem Wandel zu widerstehen, ist es ihm gegenüber dennoch nicht immun. (Neuere Studien weisen darauf hin, dass Iran nicht zuletzt aufgrund seiner breiten Industriebasis kein klassisches Beispiel eines Rentenstaats mehr darstellt. Die erwähnten negativen politischen Auswirkungen eines auf Renteneinnahmen angewiesenen Staates beanspruchen aber weiterhin Gültigkeit.)

7.

Auch kann Irans Rentierstaatlichkeit zu der berechtigten Beschreibung Anlass geben, die gegenwärtige Situation als einen Machtkampf  zwischen konkurrierenden Eliten [um die Pfründe des Rentenstaats] zu begreifen.

 

Nun, was sollte der Westen tun – sollte er ernsthaft eine demokratische Entwicklung in Iran unterstützen wollen?

8. Die transatlantische „Zwangsstrategie“ gegenüber Iran, wie sie richtigerweise in Diplomatischen Studien genannt wird, muss ausgesetzt werden, denn sie unterminiert alle Aussichten für Frieden und Demokratie. Sanktionen – ob „lähmend“ oder „smart“ – fügen letzten Endes der Bevölkerung Schaden zu. Wie von VertreterInnen der Zivilgesellschaft und von ÖkonomInnen betont wird, wird der Preis für die Sanktionen vom gesamten iranischen Volk entrichtet. […] „Kluge Sanktionen“ sind ebenso ein Oxymoron wie „intelligente Bomben“, welche angeblich in gezielter Manier mit „chirurgischen Schlägen“ ausschließlich die üblen Komponenten ausnehmen. Und wie ihre militaristischen Geschwister im Geiste überwiegen schließlich die „Kollateralschäden“ „smarter Sanktionen“. Diese als „klug“ zu empfinden, kann denn nur als purer Zynismus gelten. Unterdessen verbleibt ein grundsätzliches Problem mit den Sanktionen: Sie werden hauptsächlich in Washington konzipiert, wo die für die iranische Zivilgesellschaft potentiell schädlichen Folgen kaum eine Rolle spielen. […] Das Ergebnis: Sanktionen – eine Medizin, von der westliche Politikkreise besessen sind – versprechen keine Heilung, sondern wirken wie ein langsames Gift, das der Zivilgesellschaft und damit der Bürgerrechtsbewegung verabreicht wird. Als Prototyp wirtschaftlicher Kriegsführung stellen Sanktionen gemeinsam mit dem saisonal aufflammenden Ruf nach Krieg eine gefährliche Mischung dar. Jene betäubenden Kriegstrommeln schlagen wieder einmal auf das pulsierende Herz der iranischen Zivilgesellschaft.

9.

Die andere Seite derselben Medaille westlicher Iran-Strategie – nämlich das Mantra „alle Optionen sind auf dem Tisch“ – verfestigt nur den Eindruck eines unter Belagerungszustand stehenden Landes. Die Drohung mit Krieg und die in vollem Gange vorangetriebenen militärischen Vorbereitungen unterminieren nur die Bürgerrechtsbewegung und verdunkeln schamlos jede Zukunftshoffnung.

10.

Als IranerInnen und FriedensaktivistInnen im Westen muss unsere Hauptsorge sein, die lebendige iranische Zivilgesellschaft von allen Bestrebungen unserer eigenen Regierungen zu schützen, in irgendeine Form von räuberischer Einmischung zu verfallen, wie es ihre Vorgänger taten. Eng mit einer solchen Bemühung verbunden ist die Forderung nach einer Friedensordnung in der Region, indem der „Krieg des Terrors“ des Westens beendet wird, der die demokratischen Bestrebungen der Völker des Nahen und Mittleren Ostens behindert hat. Wir müssen die Einstellung jener Politik fordern, die den Hardlinern aller Seiten, die den traurigen Status-Quo endlos ausbeuten wollen, in die Hände spielt. Dies beinhaltet

  • die „Zwangsstrategie“ (einschließlich der Sanktionen) gegen Iran zu beenden;
  • keine weiteren verdeckten Operationen seitens der USA und Israels (die auch unter Obama nicht geendet haben!);
  • kein „Demokratie-Förderungs“-Geld aus dem Westen, das vielmehr die autoritären Verhältnisse befördert hat;
  • Beendigung der US-/NATO-Besatzungen im Irak und in Afghanistan und Verzicht darauf, Pakistan, Jemen und Syrien dem gleichen Schicksal zu unterwerfen.

Dies alles schlage ich vor, weil die IranerInnen in Iran selbst am Besten wissen, was zu tun ist. Ein letzter Ratschlag an die westlichen Regierungen: Haltet still und schaut zu! Und: Hebt die Sanktionen auf!

QUELLE

Ali Fathollah-Nejad (2013) “Iran, die Bürgerrechtsbewegung und der Westen: Zehn Thesen” [Iran, the Civil Rights Movement and the West: Ten Theses], FriedensForum: Zeitschrift der Friedensbewegung, Nr. 2/2013 (März), S. 31–33. [pdf]

▪ wiederveröffentlicht auf: Die Freiheitsliebe, 12. Juni | ZNet Deutschland, 13. Juni aixpaix.de: Aachener Friedensmagazin, 13. Juni | Arab Spring Collective, 1. Juli.

 

ENGLISH INFO

This article is a slightly updated version of a speech delivered by Ali Fathollah-Nejad held at a meeting organized by the UK peace movement at the Bloomsbury Baptist Church in central London in February 2010. Under the heading “What Lies Ahead? The Movement, Sanctions and the West” also Lindsey German (Stop the War Coalition) and Prof. Ali Ansari (world-renowned Iranian historian) spoke. In his speech entitled “Iran, the Civil-Rights Movement and the West”, Fathollah-Nejad presented ten theses which try to capture the prospects for democracy in Iran in a larger historical and analytical framework.

Ali Fathollah-Nejad: “Der Iran-Konflikt und die Obama-Regierung” [The Iran Conflict and the Obama Administration]

 
 

Research on this book began in 2008 during the transition period between the George W. Bush and Barack Obama administrations, and by winter 2009 the book has been finalized.

  

Ali Fathollah-Nejad (2010 & 2011) Der Iran-Konflikt und die Obama-Regierung: Alter Wein in neuen Schläuchen? [The Iran Conflict and the Obama Administration: Old Wine in New Skins?], Potsdam (Germany): Potsdam University Press (WeltTrends-Papiere, No. 12), 2010 (reprint in 2011) [ISSN 1864-0656 | ISBN 978-3-86956-042-7 | 5 € | hier bestellen].

 

ABSTRACT

 

Deutsch | Mit dem Amtsantritt Barack Obamas wurden nach Jahren schwelender Kriegsgefahr mit dem Iran große Hoffnungen verbunden. Das Papier analysiert die der US-Regierung vorgelegten Iran-Strategiepapiere im Hinblick auf eine Lösung im Iran-Konflikt. Das Spektrum der angedachten Politik reicht von Scheindiplomatie zur Kriegslegitimation bis hin zu Normalisierung der Beziehungen. Zum Schluss wird danach gefragt, ob tatsächlich eine Wende in der Iran-Politik Obamas zu erwarten ist.

English | With Barack Obama taking office as U.S. president, immense hopes have been raised after years of a lurking threat of war. The paper analyzes Iran strategy papers prepared for the new U.S. administration on how to solve the conflict with Iran. The specter of the proposed policies ranges from diplomacy as pretense for legitimating war to normalization of relations. Finally the question will be raised whether under Obama a change of the policy towards Iran can be expected or not.

Bulgarian |С влизането в длъжност на новия президент на САЩ Барак Обама бе свързана голямата надежда след години нарастваща опасност от война с Иран. Авторът анализира стратегически документи на САЩ относно възможно решение на Иранския конфликт- от дипломация за прикриване подготовка за война до селективно сближаване. Потърсен е отговор на въпроса, доколко може да се очаква обрат в политиката на президента Обама. [Source: Center for Strategic Research in the Field of Security and International Relations, Bulgaria]

 

BUCH-INHALT [BOOK CONTENT]

 

I. Obama for President! Alle für den „Wandel“ [Obama for President! Everybody for “Change”]

1. Mission: Führungsrolle wiederherstellen [Mission: Reestablishing Leadership]

2. Obamas „Clinton III“-Team [Obama’s “Clinton III” Team]

II. Wettlauf um Obamas Iran-Politik [The Race for Obama’s Iran Policy]

3 . Wieso die USA eine „Kurs-Korrektur“ in der Iran-Politik anstreben [Why the U.S. Seeks a “Course Correction” in its Iran Policy]

4. Neokonservative und liberale Falken – Zwangsdiplomatie als Kriegslegitimation [Neoconservatives and Liberal Hawks: Coercive Diplomacy as Legitimation for War]

5. Vorschläge der Elite-Think-Tanks – Realpolitische Strategien zur Durchsetzung amerikanischer Interessen [Recommendations by Elite Think-Tanks: Realpolitik Strategies for Asserting U.S. Interests]

6. Moderate Stimmen fordern Kurswechsel [Moderate Voices Demand Course Correction]

 

III. Im Bush-Modus verfangen? Neue Politik auf tönernen Füßen [Stuck in the Bush Mode? New Policy on Feet of Clay]

7. Von Bushs zu Obamas Kriegen im Irak und am Hindukusch – Auserwählt oder notwendig? [From Bush’s to Obama’s Wars in Iraq and in the Hindu-Kush: Chosen or Necessary?]

8. Neue alte Iran-Politik? [New Old Iran Policy?]

 

IV. Schlussfolgerungen [Conclusions]

 

 

LOB [PRAISE]

 

»Eine detaillierte und absolut überzeugende Kritik der US-amerikanischen Iran-Politik«

[»A detailed and utterly persuasive indictment of US policy towards Iran«]

Dr. Arshin Adib-Moghaddam, School of Oriental and African Studies (SOAS), University of London & Autor von u.a. Iran in World Politics: The Question of the Islamic Republic (Hurst 2007 & Columbia University Press 2008)

 

»[…] mit Beifall gelesen. Eine sehr gründliche Arbeit auf knappem Platz. […] nichts Wichtiges weggelassen.«

[»[…] read with applause. A very thorough and succinct work. […] nothing important left out.«]

Rudolph Chimelli, Journalist & Iran-Experte, Süddeutsche Zeitung

 

»Ali Fathollah-Nejads Studie analysiert mit profundem Hintergrundwissen den aktuellen weltpolitischen Konflikt zwischen Iran und den USA. Dem Autor gelingt es dabei, Illusionen über einen kurzfristigen Strategiewechsel bezüglich des “war on terror” durch die aktuelle US-Regierung unter Führung des Friedensnobelpreisträgers Barack Obama zu zerstreuen – und gleichzeitig in seinen Schlussfolgerungen Chancen einer notwendigen konstruktiven Friedenspolitik aufzuzeigen. Ein äußerst hilfreiches Buch, dem eine große Rezeption zu wünschen ist.«

Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes (Fellowship for Reconciliation)

 

»Vorweg: Der Untertitel “Alter Wein in neuen Schläuchen?” wird der […] Arbeit nicht gerecht – sie ist zu inhaltsreich, differenziert, informativ, als dass sie sich auf diese Frage reduzieren ließe. Interessant ist sie zudem auch analytisch, v.a. wegen ihrer konstruktiven Ausrichtung: Fathollah-Nejad verharrt nicht bei einer Beleuchtung der bestehenden Politik, sondern er zeigt mögliche Ansätze und konkrete Schritte auf, die einen Weg aus der jahrelangen Sackgasse der westlichen Iran-Politik weisen könnten – eine Kurskorrektur, die nicht nur notwendig, sondern auch machbar wäre! Lesenswert ist die Analyse, für die der Autor auf 78 Seiten viel Information kondensiert und über 200 Quellen aus Politik, Wissenschaft und Medien ausgewertet hat, aber noch aus einem weiteren Grund: Sie liefert zugleich einen hoch-informativen Blick hinter die Kulissen der Obama-Regierung und beleuchtet viele der tatsächlichen Akteure aus beiden großen Parteien und ihren Einfluss auf die offizielle Politik. Ein Lehrstück über Triebkräfte und konkrete Mechanismen der US-Außenpolitik. […] Zu der o.g. Analyse finden sich ihr Inhaltsverzeichnis und eine Bestellmöglichkeit auf der insgesamt sehr interessanten Website des Autors: http://fathollah-nejad.com – von dem wir künftig sicher noch mehr hören werden!«

Christoph Krämer, stellv. Vorsitzender der deutschen Sektion von IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung), in der Mitgliederzeitschrift IPPNW-Forum, Nr. 127 (September 2011). [pdf]

 

»Dieses gelungene Buch ist für all jene empfehlenswert, die sich einen Überblick verschaffen wollen über die Diskussionen, Strategien und Hintergründe rund um den USA-Israel-Konflikt mit Iran, der schon seit langem für die Menschen im Iran verheerende Folgen hat und indirekt – aufgrund der Militärausgaben, für die Sozialausgaben geopfert werden – auch vielen Menschen in den USA und in Israel schadet.«

Luay Radhan, FriedensForum: Zeitschrift der Friedensbewegung, Jg. 23, Nr. 6/2010 (Dez. 2010–Jan. 2011). [pdf]

 

»Die Faktendichte der Studie ist beeindruckend […] interessante und auch entmutigende Fakten über Obamas Verhältnis zum ›Washington Establishment‹«

—Loren Balhorn, Die Achse des Barack, marx21: Magazin für internationalen Sozialismus, Nr. 17 (September/Oktober 2010), S. 80.

 

»Der wohlinformierte Politikwissenschaftler eröffnet solide Einblicke in Zusammenhänge, die die westliche Politik ignoriert. Er verdeutlicht – ohne die Realität im Iran zu beschönigen –, inwiefern der Westen seine eigenen Postulate von Frieden und Menschenrechten genauso verletzt, wie er sie kundtut. Wenn man Wasser jeden Tag ein Grad erhitzt, geht das bis zu 99 Tagen gut. Aber dann… Herrn Fathollah-Nejads Buch beunruhigt im besten Sinn qualifizierter Analysen eines Brennpunktes der internationalen Politik.«

—Bernhard Trautvetter, Essener Friedens-Forum.

 

»Das Buch kann ich wärmstens empfehlen.«

—Kamuran Sezer, Gründer und Leiter des futureorg-Instituts für angewandte Zukunfts- und Organisationsforschung.

 

»Sehr gute policy analysis: Das Buch ist eine sehr gute Übersicht über die Iran-Politik Obamas seit seinem Regierungsantritt. Der Autor beschränkt sich dabei auf eine policy analysis und drückt sich klar und deutlich aus – nicht der Regelfall bei Politikwissenschaftlern.«

Leserkommentar, amazon.de.

 

 

WEITERE REZENSIONEN [OTHER REVIEWS]

  • Christoph Krämer [Deputy Chairman, IPPNW Germany] (2011) in: IPPNWforum, Berlin: International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW) Germany, No. 127 (September), p. 32.

 

ZITIERT IN [CITED IN]

Hermann, Isabella [Goethe University Frankfurt] (2010) ‘The Relevance of “Respect” within US-Iranian Negotiations on the Iranian Nuclear Programme during the Bush Administration‘, paper for the ECPR (European Consortium for Political Research) Graduate Conference Dublin 2010.

AUFGENOMMEN IN [INCLUDED IN]

Literaturdienst: Internationale Beziehungen und Länderkunde (Current Bibliography: International Relations and Area Studies), Vol. 19, No. 22 (16-30 November 2010), hg. vom Fachinformationsverbund Internationale Beziehungen und Länderkunde, Druck und Vertrieb seitens der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Strategen uneins

jW

Analyse. Gut vier Wochen vor den iranischen Präsidentschaftswahlen entwickeln die Berater der US-Regierung unterschiedliche Varianten für den weiteren Umgang mit dem ­geostrategisch wichtigen Land

Die University of Pennsylvania hat ein Ranking der führenden US-Denkfabriken erarbeitet. Auf den ersten drei Plätzen stehen die Brookings Institution, der Council on Foreign Relations (CFR) und schließlich die Carnegie Endowment for International Peace.1 Diese Think-tanks befassen sich mit der Frage, wie US-Interessen im Nahen und Mittleren Ostens am erfolgreichsten sicherzustellen sind, wobei dem Iran aktuell eine zentrale Aufmerksamkeit zukommt. Indessen unterscheiden sich ihre Sichtweisen merklich von jenen der Falken und Neokonservativen (siehe jW-Thema vom 16.3.2009) aufgrund ihres »realistischeren« Gehalts.

Schläge oder Koexistenz?

Ende 2008 veröffentlichten die Brookings Institution und der CFR einen Bericht mit Empfehlungen zur Nah- und Mittelostpolitik des neuen US-Präsidenten Barack Obama unter dem Titel »Restoring the Balance« (Wiederherstellung des Gleichgewichts). Das dieser Publikation zugrunde liegende Forschungsprojekt wurde von Brookings’ »Saban Center for Middle East Policy« geführt, das von Martin Indyk, dem Mitbegründer des Israel-Lobby-Think-tanks »Washington Institute for Near East Policy« (WINEP), geleitet wird. Mit dem Iran beschäftigen sich Suzanne Maloney und Ray Takeyh, die einen »Pfad zur Koexistenz« skizzieren und zur raschen Annäherung noch vor dem Wahlkampf zu den iranischen Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2009 aufrufen: Washington müsse den iranischen Staat eher als einen einheitlichen Akteur wahrnehmen als den Versuch zu unternehmen, verschiedene Fraktionen gegeneinander auszuspielen. Beide betonen: »Die Obama-Administration mag versucht sein, den einfachen Weg zu gehen, indem sie lediglich neue Rhetorik und bescheidene Verfeinerungen (modest refinements) des Zuckerbrot-und-Peitsche-Ansatzes anbietet, der ihre fünf Vorgänger scheitern ließ. Dies wäre ein Fehler.« Verhandlungen müßten auf mehreren, jedoch miteinander nicht verzweigten Ebenen geführt werden. Auf unteren Ebenen müßten diplomatische Beziehungen normalisiert werden mit dem Zweck, sich mit den innenpolitischen Dynamiken des Iran vertraut zu machen. Ferner müsse man in Washington verstehen, daß sich der Aufbau einer Beziehung zum Iran langwierig und mühselig gestalten und vom iranischen sowie regionalen Kontext abhängen werde. Daher müsse die US-Administration bereit sein, jede sich eröffnende Chance zu nutzen, aufkommende Krisen zu bewältigen und mit Sorgfalt durch die inneramerikanische Debatte sowie durch die Interessen und Befürchtungen ihrer Bündnispartner zu steuern. Ein neuer Beziehungsrahmen könne Teheran die Vorteile gegenüber seines bis dato praktizierten »Radikalismus« aufzeigen.

In einem weiteren Beitrag beschäftigen sich Gary Samore, oberster Berater des Präsidenten in Fragen zur Verbreitung nuklearer Waffen, und Bruce Riedel, der für Obama die Afghanistan- und Pakistan-Politik der USA prüft, mit den Aussichten eines über Atomwaffen verfügenden Iran. Zwar sei eine solche Möglichkeit nicht wünschenswert, doch würde Teheran eine Zurückhaltung praktizieren, so daß es z.B. unwahrscheinlich sei, daß Nuklearwaffen an Terroristen weitergegeben würden. Somit würde Iran sich wie andere Atommächte verhalten und dem gleichen Abschreckungssystem unterworfen werden können.2

Indyk und CFR-Direktor Haass, die als sicherheitspolitische Stabsmitglieder in früheren US-Administrationen bereits eine unnachgiebige Haltung gegenüber dem Iran gezeigt hatten, verfaßten auf der Grundlage dieses Berichts einen Aufsatz für die einflußreiche CFR-Publikation Foreign Affairs zu einer »neuen US-Strategie im Nahen und Mittleren Osten«. Sie plädieren dafür, aufgrund einer angeblich »verbesserten Situation« im Irak, den Fokus auf den Iran zu richten, wo »die Uhr für ein gefährliches und destabilisierendes Atomprogramm läuft«. Falls es Obama nicht gelänge, in vorbedingungslosen Verhandlungen das Teheraner Programm zu bremsen, müßten schärfere Sanktionen auferlegt werden. Obgleich ein Präventivschlag eine »unattraktive Option« sei, müsse er als letzter Ausweg in Betracht kommen.3 Während die Unterschiede zum von Maloney und Takeyh vorgeschlagenen Weg frappierend sind, fallen Parallelen zu der von »liberalen Falken« und Neokonservativen propagierten »Kapitulation-oder-Krieg«-Logik auf. Am 22. April 2009 hatte Außenministerin Hillary Clinton in einer Anhörung im Repräsentantenhaus die Vorstellungen ihres Iran-Beraters Dennis Ross wiederholt, indem sie im Falle des Scheiterns der Verhandlungen möglichst »straffe und lähmende Sanktionen, so wie wir sie wollen«, in Aussicht stellte. In der Vergangenheit hatte sie bereits ihre Skepsis deutlich gemacht, daß eine diplomatische Lösung erreicht werden kann.

Bereits im Sommer 2004 wartete der CFR mit einem Papier zum Iran auf, das den Titel »Zeit für einen neuen Ansatz« trug. Die damalige Taskforce wurde von Zbigniew Brzezinski (außenpolitischer Berater) und vom heutigen Verteidigungsminister Robert Gates geleitet und zählte den Iran-Experten Takeyh und Exbotschafter William Luers zu ihren Mitgliedern. Sie forderten ein »limitiertes oder selektives Engagement« in Sachen Iran, vor allem, um »entscheidende US-Bedenken« zu adressieren.4 Überdies sei ein »Regime Change« weder eine Option noch ein Lösungsweg. Und in der Tat kristallisierte sich mit den Verhandlungen über den Irak dieser »neue Ansatz« in der zweiten Amtszeit von George W. Bush heraus.

»Produktives Engagement«

Bei der Carnegie Endowment sind der Iran-Experte Karim Sadjadpour und der Proliferationsfachmann George Perkovich für die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen in der Iran-Frage betraut. Während ersterer die Notwendigkeit für einen US-amerikanisch-iranischen Dialog zu Fragen der gesamten Region betont, konzentriert sich letzterer auf die Modalitäten dieser Verhandlungen.5 Falls der Iran sich weigere, die Urananreicherung vorübergehend zu suspendieren, müßten, so Perkovich, die Sanktionen beibehalten und, wenn möglich, forciert werden. Doch um den Anreicherungsstopp tatsächlich zu erwirken, sollte man die Kriegsdrohung vom Tisch nehmen, da sie ohnehin keine internationale Unterstützung fände. Falls Teheran jedoch ein begrenztes ziviles Atomprogramm zugestanden werden sollte, dann müsse es jedoch in angrenzenden Themen (Israel, Hisbollah usw.) »Vertrauen schaffen«. Falls der Iran dann einwilligen sollte, »sauber zu werden« – gemeint ist z.B., daß der Iran umfassenden Zugang zu seinen Atomanlagen für IAEA-Experten gewährt –, dann müsse auch die »internationale Gemeinschaft«, gemeint ist die westliche, zum ersten Mal die Garantie aussprechen, daß die dabei erworbenen Informationen nicht »gegen den Iran« verwendet werden – sprich, nicht westlichen oder israelischen Geheimdiensten zur Verfügung gestellt werden.6 Iranische Diplomaten weisen in informellen Gesprächen auf die Gefahr hin, so vor kurzem der Proliferationsexperte Andreas Persbo, daß größere Transparenz kontraproduktiv wirke, da man dadurch nichts anderes tue, als den »Drachen zu füttern«. Die Frage bleibt aber offen, wie Perkovichs sinnvoller Vorschlag in eine wasserdichte Garantie umgesetzt werden kann.

»Echte Diplomatie«

Im November 2008 wurde das erste Empfehlungspaket vorgelegt, das sich deutlich von den bisherigen unterscheidet. Das dafür extra ins Leben gerufene »American Foreign Policy Project« (AFPP) versammelt 21 mit dem Iran vertraute Wissenschaftler, Experten und Diplomaten, die mit acht »Mythen« zum Iran aufräumen: 1. daß der iranische Präsident die Entscheidungsgewalt in der Atomfrage innehätte; 2. daß das politische System der Islamischen Republik zerbrechlich und somit für einen Regime Change reif sei; 3. daß die Religiosität der iranischen Führung diese gegen Abschreckung immunisiere; 4. daß Irans politische Führung den USA unerbittlich gegenüberstünde; 5. daß der Iran erklärt hätte, Israel »von der Landkarte zu tilgen«; 6. daß eine von den USA geförderte »Demokratieförderung« dem Land wahre Demokratie zu bringen helfe; 7. daß der Iran eindeutig entschlossen sei, Atomwaffen zu entwickeln und 8. daß der Iran und die USA keine Basis für einen Dialog hätten.

Nachdem die über drei Jahrzehnte praktizierte Strategie Washingtons, den Iran zu bedrohen, zu isolieren und mit Sanktionen zu belegen, gescheitert sei, wird nun hervorgehoben, daß neben einer Zwangsstrategie (coercive strategy) und einem wenig Erfolg versprechenden militärischen Vorgehen eine weitere Option besteht, deren Erfolgsaussichten viel höher einzuschätzen sind. Es wird für ein »nachhaltiges Engagement« (sustained engagement) geworben, welches besser imstande sein würde, die »nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten zu stärken«. Dafür werden der US-Regierung fünf Schritte empfohlen: 1. Ruf nach einem Regimewechsel durch eine langfristige Strategie ersetzen; 2. Menschenrechte im Iran durch die Unterstützung anerkannter internationaler Bemühungen stärken; 3. dem Iran – und anderen Schlüsselstaaten – einen Platz am Tisch zuzugestehen, wenn es um die Zukunft Iraks, Afghanistans und der Region geht; 4. die Atomfrage im Kontext einer breiteren amerikanisch-iranischen Öffnung thematisieren und 5. als ehrlicher Makler dem arabisch-israelischen Friedensprozeß neues Leben einhauchen.

Das unter dem Vorsitz von Thomas Pickering (ehemaliger US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, in Rußland und Israel), James F. Dob­bins (Exsondergesandter für Afghanistan) und Gary G. Sick (Nahostexperte der Columbia University) stehende AFPP zieht richtige Schlüsse aus Washingtons Iran-Strategie der letzten Dekaden und bietet eine gangbare, zumal von einer nüchternen Lageeinschätzung ausgehende und in der Tat erfolgversprechende Strategie an. Jedoch fällt ein Element auf, der einen möglichen Erfolg der sonst skizzierten Vorangehensweise ernsthaft aufs Spiel setzen könnte: »Die Verhandlungsführer sollten den Atomgesprächen eine vernünftige (reasonable) Frist setzen und die Drohung härterer Sanktionen aufrechterhalten, falls Verhandlungen scheitern.«7

Auf Ausgleich bedacht

Botschafter a.D. Pickering, der Sicherheitsexperte am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Jim Walsh und Botschafter a.D. William Luers legten im Februar 2009 ebenfalls einen Vorschlag zur Lösung des Konflikts vor.8 Noch im März 2008 schlugen die Autoren in einem gemeinsamen Aufsatz vor, das »Nuklearproblem« durch eine Multinationalisierung des iranischen Atomprogramms zu lösen.9 Auch in ihrem jüngsten Papier wird eine solche Internationalisierung in der Atomfrage angestrebt, jedoch ist der darin zur Sprache kommende Kontext weiter gefaßt. So halten sie zunächst fest, daß die für die »nationale Sicherheit« der USA wichtigen Themen wie atomare Aufrüstung, die Situation im Irak und in Afghanistan allesamt einen gemeinsamen Nenner hätten – und dies sei der Iran. Sie schlagen einen diese drei Elemente integrierenden Ansatz vor, der im Zuge gegenseitiger Vertrauensbildungsmaßnahmen und der Anerkennung gemeinsamer Interessen zum Durchbruch führen soll. Diese Strategie müsse jedoch im vorhinein mit den Vetomächten des UN-Sicherheitsrats, dem UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und mit den Partnern in der Region beraten werden. Zusätzlich müsse eine neue Institution geschaffen werden, in dessen Rahmen unter Beteiligung der USA, des Iran, der UN-Sicherheitsratsmitglieder sowie der jeweiligen Nachbarstaaten Gespräche über den Irak und Afghanistan stattfinden könnten.

Diese große Diplomatieoffensive soll jedoch erst nach den iranischen Präsidentschaftswahlen erfolgen. Bis dahin könnte Obama sein Versprechen bekräftigen, zur Lösung von globalen Problemen Verhandlungen ohne Vorbedingungen zu führen, Washingtons in Artikel I des Algier-Abkommens von 1981 eingegangene Verpflichtung, sich weder politisch noch militärisch in innere Angelegenheiten des Iran einzumischen, beteuern sowie in Betracht ziehen, auf mittlerem Rang offizielle Kontakte mit Teheran zu knüpfen. Während der erste Punkt von Obama beherzigt wird, bleiben die anderen angesichts fortlaufender Geheimoperationen im Iran noch offen. Weiterhin heißt es im Papier recht zutreffend: Obgleich auch der Iran einen »aufsehenerregenden Fortschritt« bei seinem Nuklearprogramm gemacht hat, ist der Iran mit seinen bis dato 5000 Zentrifugen schwachangereicherten Urans noch einiges davon entfernt, den für den Bau einer Atombombe notwendigen Bestand angereicherten Urans herzustellen. Die Autoren kommen insgesamt zu dem Schluß: »Die USA können dem Iran Kosten auferlegen, aber sie können ihm nicht ihren Willen aufnötigen. Das Gleiche gilt für den Irak. Fortschritt setzt von beiden Seiten ein größeres Augenmerk auf Strategie als auf Taktik voraus.« Ihr Papier erntete Lob von dem Kovorsitzenden der »Iraq Study Group« Lee Hamilton, Zbigniew Brzezinski und in etwas eingeschränkter Form auch vom ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger. Die Autoren bringen es fertig, bei ihrem Ansinnen »nationale Interessen« der USA zu befördern und auch die legitimen Sicherheitsinteressen des Iran zu integrieren, wobei selbstverständlich die sich später herauskristallisierenden Einzelheiten einer genaueren Prüfung bedürfen.

Demokratie und Menschenrechte

Anfang Februar 2009 forderte die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi bei einem »Carnegie«-Auftritt in der US-Hauptstadt einen vorbedingungslosen Dialog auf drei Ebenen: zwischen den Staatsoberhäuptern, den Parlamenten und den Zivilgesellschaften, um auch die Menschenrechtsfrage zu thematisieren. Sie drückte ihre Ablehnung gegen eine militärische Intervention, gegen deren Androhung und gegen jedwede wirtschaftliche Sanktionen aus. Somit widersprach sie hinsichtlich des letzteren den Vorstellungen des sie einladenden Think-tanks. All diese Maßnahmen, unterstrich sie, schadeten der Demokratie und den Menschenrechten im Iran. Diese Aspekte bekräftigte die Menschenrechtsanwältin auch einen Monat später vor dem Europäischen Parlament, während zeitgleich der US-Präsident das 1996 unter William Clinton auferlegte unilaterale Sanktionsregime gegen den Iran um ein weiteres Jahr verlängerte. Ende April wurde dem US-Kongreß ein Gesetzeszusatz zu diesem »Iran Sanctions Act« vorgelegt, wonach Wirtschaftssanktionen gegen die im Iran aktiven ausländischen Öl- und Schiffahrtsgesellschaften verschärft werden sollen. Wenige Tage nach der Äußerung der US-Außenministerin über »lähmende Sanktionen« wäre eine militärisch durchgesetzte Blockade eine wahrscheinliche Konsequenz des im Gesetz anvisierten Einfuhrembargos. Es wird erwartet, daß das Vorhaben, das laut den Initiatoren Obama mit einer »schärferen Peitsche« in den Verhandlungen mit Iran ausstatten soll, aufgrund breiter Unterstützung beider Parteien sowie seitens Regierungsbeamten in beiden Häusern des Kongresses rasch durchgebracht werden kann. Man wartet jedoch den Zeitpunkt des »Scheiterns« der Verhandlungen ab, um dieses von der Israel-Lobby AIPAC unterstützte »Damoklesschwert« zum Einsatz zu bringen, so ein Kongreßmitarbeiter gegenüber der Jerusalem Post.10

Somit vermischen sich gut vier Wochen vor den mit Spannung erwarteten iranischen Präsidentschaftswahlen eine Rhetorik der Entspannung mit der Verschärfung der US-Sanktionen gegen Iran in einer Zeit, in der in erster Linie von Gesprächen gesprochen wird, aber Kurskorrekturen substantieller Natur, wie sie von Opponenten des Falkenlagers vorgeschlagen werden, ausbleiben.

1 James G. McGann: The Global »Go-To Think Tanks«: The Leading Public Policy Research Organizations In The World, Philadelphia: Think Tanks and Civil Societies Program, University of Pennsylvania, 2008, www.foreignpolicy.com/files/2008_Global_Go_To_Think_Tank.pdf, S. 28 f.

2 Bruce Riedel, Gary Samore: Nuclear Proliferation in the Middle East, Kap. 4, in: Restoring the Balance: A Middle East Strategy for the Next President, Dez. 2008, www.brookings.edu/projects/saban-cfr/middle_east_strategy.aspx

3 Richard N. Haass, Martin Indyk: Beyond Iraq: A New U.S. Strategy for the Middle East, Foreign Affairs, Jan./Feb. 2009

4 Iran: Time for a New Approach, Report of an Independent Task Force Sponsored by the Council on Foreign Relations, Washington: CFR, Juli 2004, hier: S. vii

5 Vgl. George Perkovich: Iran Says »No« – Now What?, Policy Brief, Nr. 63, Washington: Carnegie Endowment for International Peace, Sep. 2008. Karim Sadjadpour: Iran – Is Productive Engagement Possible?, Policy Brief, Nr. 65, Washing­ton: Carnegie Endowment for International Peace, Okt. 2008

6 Zitiert nach Engagement with Iran: Steps for the Next U.S. President, Veranstaltung der Carnegie Endowment for International Peace, Washington, 16.10.2008

7 Joint Experts’ Statement on Iran, American Foreign Policy Project, Nov. 2008, americanforeignpolicy.org/files/experts_statement_on_iran.pdf

8 Luers/Thomas R. Pickering/Jim Walsh: How to Deal with Iran, New York Review of Books, 12.2.2009. Die beiden letztgenannten Autoren waren bereits am AFPP-Papier beteiligt.

9 Luers/Thomas R. Pickerung/Jim Walsh: A Solution for the US–Iran Nuclear Standoff, New York Review of Books, 12.2.2009. Besonders wichtig sind die Anmerkungen in diesem Text. Denn in ihnen ist formuliert, daß die angestrebten Eigentumsverhältnisse des auf iranischem Territorium sich befindlichen Atomprogramms kaum die Rechte des Iran unter dem Nuklearen Nicht-Verbreitungsvertrag sowie seine Souveränität respektieren würden.

10 Hillary Leila Krieger: AIPAC Set to Push Iran Legislation at Major Conference, Jerusalem Post, 1.5.2009.

QUELLE

Ali Fathollah-Nejad (2009) “Strategen uneins“, junge Welt (Berlin), Nr. 109, 12. Mai 2009, S. 10–11.